Die bedeutendste  Versagensursache zyklisch belasteter Bauteile ist die  Materialermüdung,  bei der bereits eine wiederholte Beanspruchung  unterhalb der  Streckgrenze lokale plastische Deformationen verursachen  kann, die zur  Entstehung und zum Wachstum von Rissen und schließlich zum  Versagen  führen. Insbesondere bei relativ niedrigen  Beanspruchungsamplituden und  hohen Zyklenzahlen im Bereich der  Zeitfestigkeit können die Phasen der  Rissentstehung und des  Kurzrisswachstums einen Anteil von bis zu 90%  an der Gesamtlebensdauer  einnehmen. Da sich kurze Risse bereits  unterhalb des Schwellenwertes des  Spannungsintensitätsfaktors DKth   für das Langrisswachstums ausbreiten, kann die Anwendung der linear   elastischen Bruchmechanik (LEBM) zu einer nichtkonservativen   Bauteilauslegung führen.
    Im Rahmen von Vorgängerprojekten ist  daher in Kooperation mit dem  Institut für Werkstofftechnik das  Ausbreitungsverhalten mikrostrukturell  kurzer Risse in einer  Titanlegierung und einem Duplexstahl untersucht  worden. Am Institut für  Mechanik ist dabei ein zweidimensionales  Simulationsmodell entwickelt  worden, dass die mikrostrukturabhängige  Kurzrissausbreitung auf  diskreten Gleitsystemen im Stadium I beschreibt.  Das Modell ermittelt  das Risswachstum aus der zyklischen  Rissspitzenabgleitung und  berücksichtigt die Barrierewirkung von Korn-  und Phasengrenzen sowie  geometrisches Rissschließen. Ein  Anwendungsbereich ist die  Risssimulation in virtuellen Mikrostrukturen  mit dem Ziel der  Lebensdauervorhersage.  Ziel des Projekts
  
 
    Das aktuelle Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem Institut für   Werkstofftechnik und der Firma BÖHLER Schmiedetechnik durchgeführt und   beschäftigt sich mit dem Ermüdungsverhalten und der Rissausbreitung in   der Titanlegierung Ti-6Al-4V. Die aus diesem Werkstoff gefertigten   Schmiedeteile werden für hochbeanspruchte Komponenten wie   Strukturbauteile im Flugzeug und Turbinenschaufeln eingesetzt. Das Ziel   des Projektes ist die Optimierung des Gefüges, so dass für die zu   erwartenden Beanspruchungen des Bauteils im Betrieb eine optimale   Lebensdauer erzielt wird. Am Institut für Mechanik wird hierzu das  bestehende Modell erweitert und  an die Ausbreitungsmechanismen  mikrostrukturell kurzer Risse in der  Titanlegierung Ti-6Al-4V  angepasst. Einen entscheidenden Aspekt nimmt  dabei die Modellierung der  bi-modalen Mikrostruktur ein, die aus  primär-α-Körnern in einer  lamellaren α+β-Matrix besteht. 
  Des   Weiteren soll das bestehende 2D-Modell um eine Dimension erweitert   werden, um nicht nur die Rissausbreitung an der Oberfläche, sondern auch   das Risswachstum ins Materialinnere beschreiben zu können. Die   Berücksichtigung der tatsächlichen räumlichen Lage der im Kristall   vorhandenen Gleitsysteme ermöglicht es, neben dem Kipp- auch den   Verdrehwinkel zwischen zwei Gleitsystemen an einer Korngrenze zu   erfassen, was zu einer verbesserten Modellierung der Barrierewirkung von   Korngrenzen führt.   |